Kirche als geschwisterliches Miteinander

20.03.2023 21:37 Uhr

(Christine Jann) Geplant war die Fastenpredigt mit dem bekannten Münchner Pfarrer und Buchautor Rainer Maria Schießler schon für 2020, fiel damals aber Corona zum Opfer.

Nun kam Schießler am letzten Sonntag in die Hofkirche – und mit ihm Hunderte, die ihn hören wollten. Wer mitgedacht hatte, brachte sich eine Sitzgelegenheit mit, denn die Bänke und Stühle waren schon lang vor Beginn besetzt. Als um 17:00 Uhr die Vesper begann, standen gespannte Kirchenbesucher auch im Mittelgang fast bis nach vorne.

Pfarrer Herbert Kohler, der ihn am Nachmittag schon beim Ehrenamtlichenempfang der Pfarreiengemeinschaft erlebt hatte, begrüßte die ca. 700 Zuhörer und kündigte eine Predigt an, die einem Vulkanausbruch ähnlich sei.

Etwas enttäuscht ob der begrenzten Redezeit von 30 Minuten legte Pfarrer Schießler mit dem Mikrofon in der Hand vor dem Altar auch gleich voller Begeisterung und Engagement los.

Es folgte eine mitreißende, erheiternde, aber auch emotionale Ansprache, die die Anwesenden berührte und bewegte.

Die Frage „Quo vadis, Kirche?“ beantwortete Schießler mit dem Blick darauf, wer Kirche ist.

Dabei ging er zurück an den Anfang, zu Jesus, der eine neue Erfahrung zu den Menschen gebracht habe, was ihre Beziehung zu Gott betrifft: Er nennt ihn Abba, Vater, und verkündet, dass alle Gott so anreden dürfen. Mit dieser neuen Verbindung und Beziehung zu Gott als Vater sei für Jesus eine riesige Vision einhergegangen: dass Menschen sich aus dieser Beziehung heraus neu erfinden, eine neue Menschheit schaffen, wo es kein Oben und Unten mehr gibt, keine Unterdrückung und keine Gewalt, sondern geschwisterliches Miteinander.

Dass Schießler selbst von dieser Vision begeistert ist und dafür lebt, merkte man jedem seiner Worte an.

Wenn er aus der Zeitgeschichte heraus erklärt, warum sich die Jesusbewegung aus dem Judentum heraus selbstständig machen musste und einen neuen Aufbruch wagen musste. Das finde im Johannesevangelium seinen Niederschlag, dessen Botschaft der Münchner Pfarrer mit einem Satz zusammenfasste: „Gott ist nur Liebe.“

Wenn er Bezug nimmt auf das Tagesevangelium von der Heilung eines Blinden, wo die Begegnung mit Jesus den Blinden nicht nur sehend macht, sondern sein ganzes Leben verändert. Genauso müssten auch wir sehend werden, dass wir in die Liebe Gottes hineingeboren seien. Diese Erfahrung könne nur durch jeden Einzelnen immer weitergegeben werden.

Wenn er den Glauben auf die „einzig wichtige Aussage“ komprimiert: „Jeder ist von Bedeutung!“

Jeder Mensch sei gleich wichtig und habe seinen Platz, das hörte man immer wieder durch - auch in allen Anekdoten mit denen Schießler seine muntere Ansprache immer wieder würzte. Der Respekt vor jedem Gegenüber wird bei ihm ganz großgeschrieben. Und die Begegnung, um Andere die Liebe Gottes spüren und erfahren zu lassen, und damit einen Aufbruch zu ermöglichen.

So sieht Schießler auch den synodalen Weg hoffnungsvoll. Auch wenn er nicht wisse, wann sich was ändere, sei einfach wichtig, dass hier eine Tür aufgestoßen worden sei.

Wenn er als Priester wirke und am Altar stehe, habe er nur eine Aufgabe, betonte er zum Ende seiner Predigt: „Menschen mit Gott in Beziehung zu bringen.“ Sie spüren zu lassen, dass sie wichtig sind.

Mit dem Blick auf Jesus und Kirche setzte Schießler den Schlusspunkt, indem er jeden Gläubigen in die Pflicht nahm, die Vision Jesu zu verwirklichen: Die ganze Kirche sei ein großer Abendmahlsaal und die Worte Jesu von damals seien an alle, an jeden Einzelnen gerichtet. „Nehmt, esst, trinkt – ich bin für Euch da und verzehre mich für Euch. Tragt das weiter!“

(Bilder von Wolfgang Böhm, Agnes Dachs, Christine Jann)